Brauchtum (Lauf des Lebens)
Geburt
Geburten fanden ausnahmslos zu Hause unter der Obhut der Dorfhebamme statt. Ein Arzt wurde nur hinzugezogen, wenn Komplikationen vorauszusehen waren.
Mutter und Kind durften bis zur Taufe das Haus nicht verlassen um sich keinen „bösen Blicken“ auszusetzen. Nach dem weit verbreiteten Aberglauben, schützte erst der Taufakt beide vor teuflischem Ungemach. Die Versorgung mit warmen und kräftigenden Mahlzeiten übernahmen bis zur Taufe die Nachbarschaft, Freundschaft und Verwandtschaft, so dass sich die Wöchnerin unbeschwert erholen konnte. Lange Zeit wurden die Neugeborenen fest gewickelt „gefatscht“; die Ärmchen fest an den Körper gebunden, die Beinchen unbeweglich eingewickelt. Die heute als barbarisch empfundene Wickelmethode sollte das gerade Wachstum fördern und das Kind vor Verletzungen durch die eigenen Fingernägel schützen.
Taufe
Die Taufe fand drei bis vier Wochen nach der Geburt des Kindes statt. Es galt als große Ehre die Patenschaft eines Kindes zu übernehmen; sie durfte nicht abgelehnt werden.
Die Taufe fand am Ende eines Hauptgottesdienstes statt. Während des Liedes Nr. 122 „Herr, dies Kindlein bringen wir…“ wurden das Kind und die Mutter von vier oder sechs Patinnen und Paten durch das Spalier der stehenden Gemeinde zum Taufbecken geleitet, wo die Taufzeremonie vollzogen wurde. Nachdem die Gemeinde die Kirche verlassen hatte, kniete die Mutter mit ihrem Kind vor dem Altar nieder und empfing den Segen des Pfarrers. Nun durfte sich die Mutter mit ihrem Kind in der Öffentlichkeit zeigen.
Konfirmation
Die Konfirmation fand am Palmsonntag statt und war für einen jungen 14 jährigen Menschen nicht nur der Übergang von der Kindheit in die Jugend, sondern ein Fest für die ganze Gemeinde.
Dem Ereignis ging eine einjährige Vorbereitung voraus, der Konfirmandenunterricht jeden Samstag im Pfarrhaus. Der kleine Katechismus, die 10 Gebote und Erklärungen, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser mit Erklärung, das Kirchenjahr mit seinen Festen, Gottesdienstordnung, etc. mussten zum Teil auswendig gelernt werden.
Der Konfirmationstag war auch ein Tag des Dankes und der Abbitte. Vor dem Kirchgang dankte man den Eltern und Großeltern für ihre Liebe und Fürsorge und bat um Vergebung für Verfehlungen und Kränkungen.
Die „Prüfung“ fand in der vollbesetzten Kirche vor der aufmerksam beobachtenden und mitfühlenden Gemeinde statt. Bei der anschließenden Einsegnung erhielt jede/r Konfirmand/in einen Bibelspruch, der wegweisend ihr/sein Leben begleiten sollte.
Danach feierten die frisch Konfirmierten zusammen mit ihren Familien und ihren Paten zum ersten Mal das Heilige Abendmahl.
Verlobung u. Hochzeit
Die Verlobung fand an einem Samstag drei Wochen vor der Hochzeit statt. Bräutigam und Braut gingen in Begleitung eines Trauzeugen zum Pfarrer um die Verlobung anzuzeigen und den Segen zu erbitten.
Danach versammelte sich die Jugend vor dem Brauthaus um nach alter Sitte die bösen Geister mit lautem Gepolter zu vertreiben. Es krachte und schepperte gewaltig, Geschirr wurde zerschlagen, auf das Hoftor wurde mit Knüppeln eingeschlagen bis das Brautpaar erschien und Stille eintrat. Ein sehr schöner und erhabener Moment, denn jetzt stimmte die Jugend das dreistrophige Brautlied „Et gieht en Ried durch as Gemien, et äs en froadig Leokt…“an. Am Ende der dritten Strophe, zerschellte ein großer mit Asche gefüllter Topf, und die Braut begann nun singend zu antworten und zu danken: „Ech dounken ech wel ir sed kun zea desem Ujenbläck…“. Der Dank des Bräutigams und die Bewirtung der Jugend mit Kuchen und Wein beendeten die Verlobungsfeier.
Hochzeiten fanden früher vorwiegend im Spätherbst und im Winter statt, im Haus des Elternpaares, in dem das junge Paar wohnen sollte. Später verlagerten sie sich mehr und mehr in den Sommer und in den Gemeindesaal, der für die immer zahlreicher werdenden Gäste ausreichend Platz bot.
Die Ausrichtung einer Hochzeit erforderte großes organisatorisches Geschick, jedoch erleichterte die festgelegte traditionelle Ordnung die Planung. An den Vorbereitungen waren eine große Anzahl Frauen und Männer aus der Verwandtschaft, Nachbarschaft und Freundschaft beteiligt. Das gesamte Dorf nahm mit Freude und Interesse Anteil an dem Geschehen.
Tage vorher wurde geschlachtet, gekocht, gesotten und gebacken, der Hochzeitssaal geschmückt, die Tische gedeckt.
Am Hochzeitstag, einem Sonntag, trafen sich die Gäste im Hochzeitshaus, wo sich der Hochzeitszug formierte. Unter Glockengeläut, zum Takt eines Marsches, gespielt von der Blasmusik, ging es zur Kirche, wo die Trauung während des Gottesdienstes stattfand.
Nach der Trauung ging es begleitet von der Blaskapelle zurück ins Hochzeitshaus, wo das "Gaben" - Beschenken des jungen Paares mit Geld- oder Sachgeschenken – erfolgte. Dann begab sich der geschlossene Hochzeitszug in den Gemeindesaal, wo bis in die Morgenstunden ausgiebig gegessen und getanzt wurde. Zwischen den Tänzen brachten verschiedene Gesellschaftsspiele, Abwechslung und Spaß, so die Brautentführung und “ Gangfraendaunz“,- „Der Tanz der jungen Frau“.
Am zweiten Hochzeitstag, dem „Jungfrauentag“ wurden die Frischverheirateten mit Musik geweckt. Die Anwesenden, oft lustig verkleidet, zusammen mit dem jungen Paar und der Musik, gingen von Gasse zu Gasse durch das ganze Dorf und weckten alle Gäste, die verschlafen hatten. Oft spielte man den „Verschlafenen“ kleine Streiche, alle hatten viel Spaß dabei. Schließlich traf man sich im Hochzeitshaus beim „Brodenlavend“, ein kräftiger Eintopf der alle wieder munter machte. Es wurde anschließend noch getanzt. Gegen Abend halfen dann alle Jugendlichen beim Aufräumen.
Tod u. Beerdigung
Die Beerdigung war, wie auch die Hochzeit, nicht allein Sache der trauernden Familie sondern auch der Nachbarschaft und der ganzen Gemeinde.
Bei einem Todesfall wurden der Pfarrer, der Nachbarschaftsvater, der Burghüter und die Adjuvanten benachrichtigt. Die kleine Glocke verkündete den Tod des Gemeindemitgliedes, der Nachbarschaftsvater kümmerte sich um Totengräber, Sargträger und teilte die Nachbarschaft zur Totenwache ein. Nachbarfrauen und nahe Verwandte halfen beim Waschen, Einkleiden und Aufbahren. Der offene Sarg wurde in der großen Stube mit dem Kopfende zum Spiegel hin aufgestellt, der mit einem schwarzen Tuch verhängt worden war. An zwei bis drei Abenden kamen nun Verwandte, Freunde und Nachbarn zur Totenwache „Haden gohn“.
Die Beerdigung kündigte eine Stunde lang das Läuten der kleinen Glocke an. Unter dem Geläut aller drei Glocken versammelte sich die Familie und die Verwandten um den Sarg und nahmen Abschied. Ein Nachbarschaftsmitglied, der sog. „Abforderer“ bat um die Herausgabe des Toten. Mit dem Fußende voran wurde der Sarg dann auf den Hof getragen, wo die Trauergemeinde und der Pfarrer warteten. Nach Choral, Trauerrede und Aussegnung formierte sich der Leichenzug. Mit Trauermarschbegleitung und Geläut der großen Glocke ging es auf den beschwerlichen Weg zum Friedhof auf dem „Woubarch“. Am Grab spendete der Pfarrer dem Verstorbenen und allen Versammelten den kirchlichen Segen, man sprach gemeinsam das Vaterunser. Ein naher Verwandter oder ein Gemeindemitglied dankte dem Pfarrer für die Trostworte und der anwesenden Gemeinde, der Nachbarschaft, den Adjuvanten für das letzte Geleit und die erwiesene Anteilnahme. Danach waren alle Verwandten, der Pfarrer und in späteren Jahren auch die Adjuvanten zum „Tränenessen“ eingeladen.
Trachten